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Deutsche Spuren in Aserbaidschan

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Deutsche in Aserbaidschan
Deutsche in Aserbaidschan© Privates Archiv

Deutsche Spuren in Aserbaidschan sind heutzutage auf den ersten Blick nur noch schwer zu finden. Dennoch gibt es bei genauerer Betrachtung ein bemerkenswertes Erbe, welches die ersten deutschen Siedler und später auch individuelle Einwanderer seit Anfang des 19. Jahrhunderts im Südkaukasus hinterlassen haben.

Bei den ersten Kolonisten, die sich Anfang des 19. Jahrhunderts aus der schwäbischen Heimat auf den Weg gen Osten machten, handelte es sich vor Allem um Landwirte und Handwerker. Sie kamen auf Einladung des russischen Zaren Alexander I. zunächst auf das Gebiet des heutigen Georgiens. Nach Rückschlägen bei der Ansiedlung im Großraum Tiflis zogen etwa 40 Familien weiter und ließen sich in der Nähe der Stadt Elisabethpol (heute Gänjä in Westaserbaidschan) nieder, wo 1818 die erste Kolonie Helenendorf (heute Göygöl) gegründet wurde.

Die Siedlerfamilien kehrten Deutschland den Rücken und wagten den Schritt ins Unbekannte. Die zweite deutsche Kolonie Annenfeld (heute Shamkir) wurde etwa 40km entfernt von Helenendorf gegründet und begann sich genauso prächtig zu entwickeln wie die deutsche Schwesterstadt. Eine Reihe weiterer Neu – und Ausgründungen folgten.

Deutsche in Aserbaidschan
Deutsche in Aserbaidschan© Privates Archiv


Die Deutschen brachten neben ihren Habseligkeiten vor allem ihre landwirtschaftlichen und handwerklichen Fähigkeiten mit sich und so begannen die neuen Siedlungen zu wachsen und wirtschaftlich aufzublühen. Die Auswanderer steckten viel Arbeit und Können in ihre neuen Häuser, Grundstücke und Dörfer, die heute teilweise noch gut erhalten sind und bestaunt werden können. Die Zeit überdauert haben zum Beispiel die St. Johanniskirche in Helenendorf (Göygöl) oder die Lutherkirche in Annenfeld (Shamkir). Die ausschließlich dem Lutherischen Glaubensbekenntnis angehörenden Siedler zeichneten sich durch starke Religiosität aus und legten hohen Wert auf die Bewahrung ihrer Bräuche und Traditionen.

Zu besonderer Produktivität brachten es die Deutschen im Bereich des Weinanbaus und der Kelterei. Die Weinreben und der Wein aus den Kolonien erfreuten sich bald in ganz Aserbaidschan hoher Beliebtheit und wurden Anfang des 20. Jahrhunderts sogar bis nach Moskau und Sankt Petersburg gehandelt. Die Weinfabrik der Kolonie Traubenfeld (heute Tovuz) kann noch heute besichtigt werden.

Deutsche in Aserbaidschan
Deutsche in Aserbaidschan© Privates Archiv

Die deutschen Siedler begrüßten mehrheitlich die am 28. Mai 1918 ausgerufene Unabhängigkeit der Aserbaidschanischen Demokratischen Republik. Die Verfassung garantierte der deutschen Minderheit einen Sitz im Parlament.

Der Anfang vom Ende des deutschen Alltags in Aserbaidschan wurde mit der Annexion der Republik durch Sowjetrussland eingeläutet. Die Selbstverwaltung der Kolonien wurde aufgehoben, die Großbetriebe enteignet, die Religionsfreiheit starkem Druck ausgesetzt. Während der wirtschaftlichen Liberalisierung im Rahmen der „Neuen Ökonomischen Politik“ in den 1920er Jahren erlebte die deutsche Gemeinschaft in Aserbaidschan einen kurzen Augenblick wirtschaftlichen Aufschwungs und Wohlstands. So erreichte zum Beispiel die Weinanbau und –Handelsgesellschaft „Concordia“ eine unionweite Bekanntheit und exportierte Wein ins Ausland. Die Ende der zwanziger Jahre eingesetzte Kollektivierungs- und Repressionspolitik Moskaus setzte dem ein jähes Ende.

Deutsche Spuren in Aserbaidschan
Deutsche Spuren in Aserbaidschan© Elchin Aliyev

Nach dem Angriff der Wehrmacht auf die Sowjetunion im Zuge des 2. Weltkriegs wurden alle 22.741 verbliebenen Nachfahren der deutschen Siedler aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit nach Zentralasien deportiert. Viele starben in Arbeitslagern und Sondersiedlungen. Die wenigsten Überlebenden kehrten nach der Rehabilitierung zurück nach Aserbaidschan. Im Jahr 2007 starb Viktor Klein, der letzte Nachfahre der ersten deutschen Kolonisten, im ehemaligen Helenendorf. Sein Wohnhaus wird seit 2014 mit Unterstützung der GIZ zu einem Museum umgestaltet.

Neben den Siedlern hegten auch andere Deutsche des 19. Jahrhunderts ein großes Interesse an Aserbaidschan. So eröffnete die Firma Siemens im Ort Gadabay ein Kupferbergwerk und baute es zum größten des Landes aus. Die Gebrüder Siemens nutzten die neuesten technischen Errungenschaften und fortschrittlichsten Technologien ihrer Zeit, sodass einige Jahre später unweit von Gadabay am Fluss Galakent auch noch ein zweites Kupferwerk eröffnet werden konnte.

Deutsche Spuren in Aserbaidschan
Deutsche Spuren in Aserbaidschan© Elchin Aliyev

Die Firma Siemens nahm zu dieser Zeit den ersten Platz in der aserbaidschanischen Bergbauindustrie ein und konnte einen entscheidenden Beitrag zur örtlichen Infrastruktur und Wirtschaft leisten. Eine Vielzahl von steinernen Brücken zeugen noch in den Hügeln Westaserbaidschans von diesem Kapitel der deutsch-aserbaidschanischen Geschichte.

Zu guter Letzt sind einige Deutsche auch stark mit der Geschichte und dem heutigen Stadtbild der aserbaidschanischen Hauptstadt verbunden. Der Architekt Johann Wilhelm Edel hat sich in einigen Dutzend Wohnhäusern und Bauten Bakus verewigt, darunter einige der prunkvollsten der Stadt, wie dem spektakulären Wohnhaus an der Neftchilar-Allee 103. Auch die Architekten Adolf Eichler und Nikolaus von der Nonne konnten das Stadtbild Bakus maßgeblich prägen mit Bauten wie der Lutherischen Erlöserkirche (Eichler) und dem heutigen Nationalen Kunstmuseum von Aserbaidschan (v. d. Nonne).

Deutsche Spuren in Aserbaidschan
Deutsche Spuren in Aserbaidschan© Elchin Aliyev

Nikolaus von der Nonne war zudem nicht nur Architekt sondern auch von November 1898 bis Ende 1901 Bürgermeister der Hauptstadt sowie städtischer Baudirektor. In dieser Funktion veränderte er das Stadtbild der Innenstadt grundlegend. Auch die durch die sowjetische Regierung abgerissene Alexander-Newski-Kathedrale, zur damaligen Zeit nach der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale die größte orthodoxe Kirche der Welt, ging auf Entwürfe des deutschen Architekten Robert Marfeld zurück.

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